Steuerrecht
1. Grundsatz
Das Finanzamt erfährt von jedem Erbfall durch Mitteilung der Standesämter und des Nachlassgerichts, sobald dort ein Erbschein beantragt wird. Das Nachlassgericht übersendet dem Erben dann auch das Formular, in dem der Bestand des Nachlasses, also alle erworbenen Gegenstände und Verbindlichkeiten (Aktiva und Passiva) vollständig abgefragt werden. Dies Formular sollte nicht verwechselt werden mit der für das Nachlassgericht zu fertigenden Vermögensübersicht bei Beantragung eines Erbscheins – diese dient lediglich der Bemessung der gerichtlichen Gebühr für die Erbscheinserteilung.
Steuerpflichtig sind alle Erwerbe von Todes wegen und nicht nur der Erwerb der Erbschaft selbst. Auch die Lebensversicherungssumme, der Pflichtteil, das Vermächtnisanspruch etc. unterliegen der Steuerpflicht. Steuerbefreit sind abgesehen von Zuwendungen an gemeinnützige Stiftungen etc. lediglich der Hausrat für Ehegatten oder Kinder bis zu einem Wert von 41.000,- € und sonstige bewegliche Gegenstände bis zu einem Wert von 12.000,- €. Die Freibeträge haben damit nichts zu tun, sie werden nachfolgend noch erklärt. Jeder Sterbefall wird separat besteuert, was gerade beim sogenannten „Berliner Testament“ und der Vor- und Nacherbfolge zu teilweisen schlimmen Ergebnissen führen kann. Beispiel: Der Vater stirbt am Unfallort, die Mutter auf dem Weg ins Krankenhaus: doppelter Rechtsübergang mit doppelter Besteuerung!
2. Bewertung
Seit 2009 werden für die Bewertung aller Schenkungs- und Vererbungsfälle einheitlich die Verkehrswerte und nicht mehr die Einheitswerte angesetzt. Unbebaute Grundstücke werden vom Finanzamt also nach der Bodenrichtwertkarte eingewertet, bebaute Grundstücke werden im Falle von Ein- oder Zwei-Familien-Häuser sowie Eigentumswohnungen nach dem Vergleichswertverfahren, hilfsweise dem Sachwertverfahren bewertet; Mietwohn-, Geschäfts- oder gemischt genutzte Immobilien nach dem Ertragswertverfahren; der Steuerpflichtige kann jedoch stets durch ein Sachverständigengutachten einen abweichenden tatsächlichen Wert nachweisen. Auch bei Betriebsvermögen gilt das Vergleichswertverfahren, ersatzweise das Ertragswertverfahren, wobei jedoch mindestens das Ergebnis des Sachwertverfahrens anzusetzen ist.
Belastungen (Schulden, aber auch etwa gewährte bzw. vorbehaltene Nutzungs- oder Nießbrauchsrechte etc.) werden abgezogen. Im Einzelnen sind dies sehr komplexe und streitanfällige Bewertungsvorgänge.
3. Freibeträge
Das Gesetz gewährt je nach Verwandtschaftsgrad Freibeträge in folgender Höhe:
- 1- für den Ehegatten und den gleichgeschlechtlich eingetragenen Lebenspartnern 500.000,- €. Leben die Eheleute im gesetzlichen Güterstand (Zugewinngemeinschaft) kommt ein Betrag von
- 1- für Abkömmlinge ersten Grades je 400.000- € und zwar nach jedem Elternteil getrennt!
- 1- Enkel, deren Eltern noch leben, haben nach jedem Großelternteil einen Freibetrag von je 200.000,- €. Sind die Eltern bereits verstorben, werden die Enkel wie Abkömmlinge ersten Grades behandelt, haben also jeweils einen Freibetrag von 400.000,- €.
- 1- Eltern verfügen beim Erwerb von Todes wegen über einen Freibetrag von je „lediglich“ 100.000,- €
- 1- Geschwister, entferntere oder gar nicht Verwandte haben lediglich einen Freibetrag von 20.000,- €, ebenso Eltern beim Erwerb durch Schenkung unter Lebenden.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass alle bereits zu Lebzeiten während der letzten zehn Jahre vor dem Ableben an die jeweilige Person getätigten Schenkungen in die Bewertung mit einbezogen werden; liegt eine Schenkung länger als zehn Jahre zurück, bleibt sie unberücksichtigt, da die Freibeträge alle zehn Jahre erneut zur Verfügung stehen. Es empfiehlt sich also, insbesondere bei größeren Vermögen, in Stufen zu übertragen, um die Freibeträge mehrfach ausnutzen zu können
4. Steuersätze
Hinsichtlich des über die Freibeträge hinausgehenden Erwerbs richtet sich der Steuersatz nach der sogenannten Steuerklasse. Diese ist unabhängig von der Steuerklasse bei der Einkommensteuer.
Zur Steuerklasse I gehören der Ehegatte, Kinder und Stiefkinder, die Nachkommen der Kinder und Stiefkinder sowie Eltern und Großeltern beim Erwerb von Todes wegen (also nicht bei Schenkungen).
Zur Steuerklasse II gehören Eltern und Großeltern, soweit sie unter Lebenden bedacht werden, die Geschwister und Abkömmlinge 1. Grades von Geschwistern, Stiefeltern, Schwiegerkinder, Schwiegereltern sowie Geschiedenen-Ehegatten und zur Steuerklasse III alle übrigen Erwerber.
Diese Steuersätze sind jeweils identisch für lebzeitige wie auch für letztwillige Zuwendungen. Sie betragen ab 2010:
Wert des steuerpflichtigen Erwerbs bis einschließlich … Euro | Prozentsatz in der Steuerklasse | ||
---|---|---|---|
I | II | III | |
75 000 300 000 600 000 6 000 000 13 000 000 26 000 000 über 26 000 000 |
7 11 15 19 23 27 30 |
15 20 25 30 35 40 43 |
30 30 30 30 50 50 50 |
5. Verschonungen
In bestimmten Fällen gewährt das Steuerrecht Verschonungen bzw. Abmilderungen:
So sind zum einen vermietete Wohnimmobilien nur mit 90 Prozent des Verkehrswerts anzusetzen (demnach werden aber auch darauf lastende Schulden nur zu 90 Prozent abgezogen) und Betriebsvermögen kann unter bestimmten, sehr scharfen Voraussetzungen zu 85 Prozent, unter Umständen gar zu 100 Prozent, steuerfrei übertragen werden, wenn der Erwerber den Betrieb fünf bzw. sieben Jahre weiterführt, die Lohnsumme im wesentlichen beibehält (also im Durchschnitt den Personalbestand über einen Zeitraum von fünf bzw. sieben Jahren nicht zurückführt) und keine wesentlichen Betriebsteile verkauft, stilllegt etc. Außerdem muss, um die 100prozentige Freistellung zu erreichen, der Betrieb zu mehr als 90 Prozent aus „produktivem Betriebsvermögen“, keinem „Verwaltungsvermögen“ bestehen. Dies ist aber Gegenstand der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, mit der diese Regelung für verfassungswidrig erklärt wurde. Dementsprechend wird es hier eine Neuregelung geben, deren Inhalt aber noch nicht bekannt ist.
Für den Privatbereich besonders bedeutsam sind die Freistellungen des selbstgenutzten Eigenheims. Diese umfassen
-
die Zuwendung des selbstgenutzten Eigenheims unter Eheleuten zu Lebzeiten ohne weitere Beschränkungen, d. h. diese Privilegierung kann beliebig häufig und für beliebig große Objekte in Anspruch genommen werden, eine bestimmte Mindestbesitzzeit oder eine Mindestzeit anschließender Selbstnutzung sind nicht vorgeschrieben.
-
die Freistellung des selbstgenutzten Eigenheims bei der Vererbung an den Ehegatten, allerdings nur unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass der Ehegatte das Objekt zehn Jahre selbst zu eigenen Wohnzwecken nutzt, also nicht vermietet oder verkauft; endet die vorzeitige Nutzung aus Gründen, die der Ehegatte nicht beeinflussen konnte (Pflegefall, vorzeitiger Tod), ist dies unschädlich, kommt es aber zur vorherigen Vermietung oder zum Verkauf in anderen Fällen, muss die Steuer für den Wert der Immobilie nachgezahlt werden
-
schließlich die Vererbung (nicht die lebzeitige Übertragung!) einer selbstgenutzten Immobilie an ein Kind (oder einen Enkel, wenn das Kind bereits verstorben ist), allerdings nur unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass das betreffende Kind (bzw. die betreffenden Kinder) das Objekt zehn Jahre lang selbst nutzen, also nicht verkaufen oder vermieten, und dass die Wohnung nicht eine Wohnfläche von mehr als 200 m² aufweist. Auch hier ist es unschädlich, wenn die vorzeitige Aufgabe der eigenen Wohnnutzung aus zwingenden, nicht beeinflussbaren Gründen erfolgt.