Verjährung des Pflichtteilsanspruchs
Häufig passiert es, dass Pflichtteilsansprüche den Erben in arge finanzielle Bedrängnis bringen, insbesondere, wenn der Nachlass nicht aus liquiden Mitteln, sondern zum Beispiel aus Immobilien besteht. Der Pflichtteil ist ja bekanntermaßen auf Zahlung einer Geldsumme gerichtet und nicht auf die Teilhabe an Gegenständen. So kommt es häufiger vor, dass der Erbe die Pflichtteilsberechtigten bittet, seinem Pflichtteilsanspruch vorerst nicht geltend zu machen, damit er Zeit genug hat, sich die entsprechenden Barmittel zu verschaffen. Hierbei ist allerdings Vorsicht geboten: Pflichtteilsansprüche verjähren innerhalb von drei Jahren!
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte neulich einen Fall zu entscheiden, in dem eine Pflichtteilsberechtigte gegenüber ihrer als Erbin eingesetzten Tante im Wege der Stufenklage einen Auskunfts- und anschließenden Zahlungsanspruch hinsichtlich des Pflichtteils geltend macht. Die Erblasserin war 2001 verstorben. Daraufhin bat die beklagte Tante die Tochter, ihren Pflichtteil zunächst nicht geltend zu machen und versprach, sie im Gegenzug als ihre alleinige Erbin einzusetzen. Dies wiederholte sie in einem Schreiben aus dem Jahre 2008 erneut. Im Jahr 2014 hatte die Pflichtteilsberechtigte Grund für Zweifel, ob die Tante sie auch tatsächlich als Erbin einsetzen würde. Daraufhin machte sie ihren Pflichtteilsanspruch geltend und die Erbin berief sich auf Verjährung. Nachdem das Landgericht die Klage zunächst abgewiesen hat, gab das Oberlandesgericht der Klage statt und stellte fest, dass der Pflichtteilsanspruch noch nicht verjährt sei.
Zur Begründung bezog sich das OLG darauf, dass die Bitte der Erbin als Stundungsersuchen auszulegen sei. Dieses Ersuchen hat die Klägerin angenommen, in dem sie sich anschließend entsprechend der Bitte der Erbin verhielt. Die Dauer der Stundung war darin nicht vereinbart; darauf kam es nach Ansicht des OLG aber auch nicht streitentscheidend an, da insoweit von einer unbefristeten Stundung auszugehen sei. Wird aber eine solche Stundungsvereinbarung getroffen, so ist der Ablauf der Verjährung gehemmt. Zwar sind der Auskunftsanspruch und der Zahlungsanspruch getrennt voneinander auf ihre Verjährung zu überprüfen, allerdings ergab sich bei einer solchen Prüfung keinerlei Unterschied in der Sache.
Hinweis: die Unsicherheiten hinsichtlich der Erbeinsetzung hätten sich teilweise umgehen lassen können, wenn die Parteien einen bindenden Erbvertrag geschlossen hätten. Damit wäre die Pflichtteilsberechtigte zwar nicht vor dem Verkauf und einem „aufwändigen Lebensstil“ der Erbin geschützt, zumindest aber wäre ihre Erbposition gesichert und ein Schutz vor Schenkungen wäre gesichert gewesen.
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Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 15. Oktober 2015, 9 U 149/14
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