Wirksamkeit des Testaments bei Änderungen der persönlichen Lebensumstände
Gesetzesänderungen haben von den Parteien unbemerkt Auswirkungen auf die Wirksamkeit von Testamenten. Das Kammergericht hat kürzlich einen Rechtsstreit entschieden, in dem ein Erblasser im Jahre 1999 seinen „Lebenspartner“ als Erben einsetzte ohne ihn namentlich näher zu nennen. Zu diesem Zeitpunkt war die Lebenspartnerschaft allerdings noch nicht gesetzlich geregelt und dieser Rechtsbegriff konnte dementsprechend nicht im heutigen rechtstechnischen Sinne gemeint worden sein. Im Jahre 2002 begründete er dann eine gesetzliche Lebenspartnerschaft mit diesem im Testament als „Lebenspartner“ bezeichneten Mann, die im Jahr 2007 wieder rechtskräftig geschieden wurde. Der ledige und kinderlose Erblasser verstarb, von seinen Familienmitgliedern lebte nur noch sein Vater. Dieser beantragte daraufhin einen Allerbschein, da er der Meinung war, durch die Scheidung der Lebenspartnerschaft sei auch das Testament ungültig geworden. (Diese Auffassung ist im Prinzip richtig, da gemäß § 2077 BGB mit der Scheidung die Erbeinsetzungen der Ehegatten unwirksam werden, wenn keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Ehegatten ihre testamentarischen Verfügungen auch für den Fall aufrechterhalten wollten, dass sie geschieden werden.) Der geschiedene Lebenspartner beantragte ebenfalls einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist, da er das Testament für wirksam hält. Dieser Auffassung schlossen sich sowohl das Nachlassgericht, als auch schließlich das Kammergericht an.
Die zitierte Regelung des § 2077 BGB sei nämlich nur eine Auslegungsregel, so das Kammergericht, die erst dann zurate gezogen wird, wenn die individuelle Auslegung des Testamentes nicht bereits zu einem eindeutigen Ergebnis führt. Ein solch eindeutiges Ergebnis konnte das Kammergericht aber bei Auslegung des Testamentes erzielen. Es gab nämlich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser die Erbeinsetzung des Lebenspartners von dem Bestehen einer gesetzlichen Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz abhängig gemacht hätte, denn er hat ja seinen Lebenspartner zu einem Zeitpunkt als Erben eingesetzt, als die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare überhaupt noch nicht zulässig war. Wichtig: maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist immer die Abfassung des Testamentes, auf die Frage, ob sich der Erblasser mit dem Erben hinterher zerstritten hat oder diesen erneut als Erben einsetzen würde, kommt es nicht an. Das Kammergericht sah auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Erblasser die Erbeinsetzung unter der Bedingung der Eheschließung getroffen hätte. Zwar war bereits im Jahr 1999 absehbar, dass die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet werden soll, allerdings führt die bloße Bezeichnung als „Lebenspartner“ nicht dazu, dass dieser Begriff auch rechtstechnisch verstanden werden soll und der Erblasser die Vorstellung hatte, seinen Lebenspartner nur dann als Erben einzusetzen, wenn er auch über die gesetzliche Lebenspartnerschaft mit dem Erblasser verbunden wäre. Anhaltspunkte hierfür ließen sich nach Auffassung des Kammergerichtes nicht feststellen. Da also die gesetzliche Lebenspartnerschaft in keinem Zusammenhang mit der Erbeinsetzung stand, bedurfte es des Rückgriffs auf § 2287 BGB nicht. Die Einsetzung des Erben war mangels abweichender Testierung nach wie vor wirksam. Merke: Ein Testament in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wird nicht bei Trennung unwirksam! Die Feststellung der Unwirksamkeit des Testamentes ließe sich bestenfalls im Wege der Anfechtung Testaments erreichen.
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Kammergericht, Beschluss vom 29. September 2015, 6 W 57/15
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