Unwirksamkeit eines Testaments bei Ende einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft?
Die Auswirkungen von Ehescheidungen auf die Wirksamkeit von Testamenten und Erbverträgen beschäftigen den Erbrecht tätigen Rechtsanwalt häufig. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte kürzlich ein Fall zu entscheiden, in dem die Erblasserin vor Eheschließung im Jahr 1972 einen Erbvertrag mit dem jetzigen Antragsteller schloss, in dem sich die beiden gegenseitig als Erben einsetzten und sich das Recht vorbehielten, jederzeit von diesem Vertrag zurückzutreten. Erst in der Folgezeit heirateten die beiden und die Erblasserin gebar im Jahr 1973 eine Tochter, die wiederum eine Tochter zur Welt brachte. Nachdem die Ehe im Jahr 1987 geschieden worden war, trat keine der Parteien von den Erbvertrag zurück, lediglich die Erblasserin errichtete im Jahr 2010 ein handschriftliches Testament, mit dem Sie Ihre Enkelin als Alleinerben einsetzte. Der ehemalige Ehemann und jetzige Antragsteller beantragte die Erteilung eines Erbscheines, während die Enkelin die Erteilung eines Erbscheines auf ihren Namen beantragte und das Testament angefochten hat.
Das Oberlandesgericht hat schließlich dem Antrag des Antragstellers stattgegeben, da der Erbvertrag wirksam sei. Zunächst stellt es fest, dass die wechselseitige Erbeinsetzung eine vertragsmäßige Verfügung gewesen ist, die nicht frei widerruflich war, sondern nur entsprechend der Regeln über den Rücktritt vom Vertrag zu beseitigen war. Da ein Rücktritt nicht erfolgt ist, legt das Gericht dar, dass eine Unwirksamkeit auch nicht aus §§ 2279, 2077 BGB folge. Danach ist eine letztwillige Verfügung nach einer Ehescheidung unwirksam, wenn anzunehmen ist, dass diese Verfügung nicht auch noch getroffen worden wäre, wenn die Ehe geschieden wäre. Hierbei handelt es sich nur um eine Auslegungsregel, die bei Zweifeln an der Auslegung zum Tragen kommt. Ergibt eine Testamentsauslegung jedoch ein eindeutiges Ergebnis, so ist diese Regel nicht anzuwenden. Allerdings ist der Anwendungsbereich dieser Vorschriften hier nicht eröffnet, dann die Erblasserin und der Antragsteller zum Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages nicht miteinander verheiratet waren. Maßgeblicher Zeitpunkt ist ausschließlich der der Errichtung der letztwilligen Verfügung. Ob die Parteien später die Ehe miteinander geschlossen haben, ist ohne Belang. Diese Vorschrift kann auch nicht analog auf nichteheliche Lebensgemeinschaften angewandt werden. Dies macht das Gericht sehr deutlich, denn nach seiner Auffassung wäre es schwierig bis unmöglich, eine Eingrenzung der in Betracht kommenden eheähnlichen Verhältnisse vorzunehmen.
Auch die Anfechtung des Testamentes hat das OLG nicht durchgreifen lassen. Will ein Erblasser eine bindend gewordene Verfügung anfechten, so muss er dies durch notariell beurkundete Erklärung tun. Wollen Andere als der Erblasser das Testament anfechten, so gilt diese Beurkundungspflicht nicht. Allerdings fehlte es im vorliegenden Fall an einem Anfechtungsgrund. Ein Irrtum über die Rechtsfolge der Nichtigkeit nach Ehescheidung konnte hier nicht festgestellt werden. Dass die Erblasserin im Jahr 2010 erneut testiert hat, lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass sie über den Umstand der Bindungswirkung im Irrtum war. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dahin, dass die Erblasserin bei Abschluss des Erbvertrages bereits gewusst hatte, dass die Parteien später heiraten würden.
Für alle Fragen rund um das Thema Erbrecht stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt jederzeit gerne zur Verfügung.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 7. Juli 2015, 20 W 16/15
Zurück zur Übersicht