Rechtlicher Rahmen
Zugangsprobleme treten in der Praxis immer wieder auf, obwohl man eigentlich davon ausgehen sollte, dass die Übergabe eines Schriftstückes eine einfache Sache seien sollte. Ausgangspunkt ist die gesetzliche Regelung in § 130 Abs. 1 BGB, nach der ein Schriftstück unter Anwesenden dann zugeht, wenn sie durch Übergabe in den „Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt“ ist. Aber wann ist das Schreiben im „Herrschaftsbereich“? Prinzipiell immer dann, wenn der Empfänger die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat, er also in der Lage ist, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Unter Anwesenden bedeutet dies, dass der Erklärende sein Schreiben auf den Schreibtisch legt und nicht wieder an sich nimmt. Lässt es der Empfänger liegen, so ist dies sein Problem – der Zugang war bewirkt, denn der Empfänger hatte die Möglichkeit, von dem Schreiben Kenntnis zu nehmen; und nur darauf kommt es an. Ob der Empfänger sich weigert, die Erklärung zur Kenntnis zu nehmen oder nicht, ist egal. Leider wird häufig der Fehler gemacht, anzunehmen, es komme auf die tatsächliche Kenntnisnahme an – er ist deshalb dringend zu vermeiden!
Unter Abwesenden geht eine Erklärung ebenfalls dann zu, wenn sie in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt ist. Als weitere Voraussetzung muss der Empfänger jedoch unter den gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit haben, von ihr Kenntnis zu nehmen. Da die Post in aller Regel am Vormittag zugestellt wird, kann nicht mehr damit gerechnet werden, dass Schreiben noch am Abend zugestellt werden. Wird ein Schreiben also abends zugestellt, so gilt es erst als am nächsten Tag zugestellt.
Die Entscheidung
In der Entscheidung des BAG vom 26. März 2015 ging es um die Frage, wann eine Kündigung der im Rahmen einer Kündigungsschutzklage klagenden Arbeitnehmerin zugegangen war. Der Zugang gestaltete sich nämlich relativ turbulent. Die Beklagte trug folgenden Geschehensablauf vor: in einem Gespräch am 22.Oktober hätte sie der Klägerin die Kündigung „hingehalten“ woraufhin diese den Raum verlassen habe, ohne die Kündigung mitzunehmen. Zwei Mitarbeiter seien deshalb am Nachmittag zur Wohnung der Klägerin gegangen und hätten den Brief in den Briefkasten gelegt, nachdem die Klägerin erklärt haben soll, keine Zeit zu haben und das Haus verlassen haben soll. Die Klägerin hingegen sagte, in dem Gespräch am 22.Oktober sei es gar nicht um eine Kündigung gegangen und die Mitarbeiter seien auch nicht am Nachmittag des 22.Oktober, sondern erst am 23.Oktober zu ihr gekommen. Auf die Frage, welcher Tag es genau war, kam es in diesem Rechtsstreit ausschließlich an, da die Klägerin bei Zugang am 22.OKtober die dreiwöchige Klagefrist versäumt hätte.
Das BAG hat die oben geschilderten Rechtsgrundsätze auf den Fall angewandt und kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin den Zugang der Kündigung treuwidrig vereitelt hätte. Es beschäftigt sich dabei mit den vielfachen Auslegungsmöglichkeiten des Wortes „hingehalten“, dass die Beklagte in ihren Schriftsätzen immer verwendet hatte. Dies kann sowohl ein bloßes Zeigen, als auch einen Hinlegen auf den Tisch bedeuten. Wäre Letzteres der Fall, so hätten wir es hier schon mit einer Zugangsvereitelung zu tun. Das BAG erteilt dabei der Auffassung eine Absage, nach der die Beklagte ja die Möglichkeit gehabt hätte, die Kündigung bei der Weigerung der Klägerin in deren Wohnung zuzustellen. Die Klägerin habe damit rechnen müssen, bei der Besprechung eine Kündigungserklärung zu erhalten, denn „ein Arbeitnehmer muss regelmäßig damit rechnen, dass ihm anlässlich einer im Betrieb stattfinden Besprechung mit dem Arbeitgeber rechtserhebliche Erklärungen betreffend sein Arbeitsverhältnis übermittelt werden“. (Insoweit besteht hier eine Abweichung zur Rechtslage bei der Anhörung zu einer Kündigung, bei der dem Arbeitnehmer der Inhalt mitgeteilt werden muss.)
Das Verhalten der Klägerin in ihrer Wohnung bewertet das BAG als treuwidrige Zugangsvereitelung. Das Argument, sie sei nicht verpflichtet gewesen, das Schriftstück sogleich zur Kenntnis zu nehmen und zu jeder Minute für die Entgegennahme von Erklärungen des Arbeitgebers zur Verfügung zu stehen, ließ das BAG nicht gelten. Hier greifen nämlich die Grundsätze über den Zugang unter Abwesenden. Die Zugangsvereitelung lag in diesem Fall darin, dass die Boten darauf hingewiesen hätten, ihr einen Brief übergeben zu wollen. Die Klägerin hatte also Anlass dazu, in Ihrem Briefkasten zu schauen. Sie hatte damit unter den gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit, von dem Schreiben an diesem Tag Kenntnis zu nehmen. Hierin lag der Unterschied zu den üblichen Postzustellzeiten, nach denen ein Empfänger ja nicht weiß, ob eine Erklärung zugestellt werden soll.
Bundesarbeitsgericht, Versäumnisurteil vom 26. März 2015, 2 AZR 483/14
Wird ein Arbeitnehmer betriebsbedingt gekündigt und reicht er dagegen Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht ein, so wird in diesem Verfahren geprüft, ob ein anderer Arbeitsplatz im Betrieb zur Verfügung gestanden hätte, auf den der Arbeitgeber den Arbeitnehmer hätte versetzen können. Eine solche Versetzungsbefugnis im Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers oder gar eine Pflicht dazu hat auch ihre Grenzen, wie eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24. September 2015 zeigt. Dort urteilte das Gericht über die Kündigungsschutzklage eines türkischen Arbeitnehmers, der bei einer türkischen Bank in Deutschland beschäftigt war und der eine betriebsbedingte Kündigung erhalten hatte, nachdem die Bank ihren Geschäftsbetrieb in Deutschland eingestellt hatte. Die beklagte Bank wies dem Kläger zuvor eine Tätigkeit als Abteilungsleiter Auslandsgeschäfte in Ihrem Büro in Istanbul zu, obwohl er zuvor nicht als Abteilungsleiter gearbeitet hatte. Diese lehnte der Kläger jedoch ab, da das Direktionsrecht seines Arbeitgebers seiner Meinung nach nicht so weit reiche, dass der Arbeitgeber ihn von Deutschland aus in die Türkei versetzen könne. Daraufhin kündigte die Beklagte Bank das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage war in den ersten beiden Instanzen erfolgreich, das Bundesarbeitsgericht hob diese Entscheidung allerdings auf. Zur Begründung führte das BAG aus, dass die Betriebsstilllegung selbstverständlich ein dringendes betriebliches Erfordernis darstellt, das eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigt. Dabei war die Beklagte auch nicht verpflichtet – und an dieser Stelle wird die Entscheidung relevant – dem Kläger eine Tätigkeit in einer türkischen Filiale zuzuweisen, denn die Verpflichtung zu einer anderweitigen Beschäftigung erstreckt sich nicht auf Arbeitsplätze im Ausland. Auch bekräftigt das Bundesarbeitsgericht hier erneut, dass das Direktionsrecht des Arbeitgebers sich bestenfalls auf den Arbeitsort bezieht (soweit dies im Arbeitsvertrag vorgesehen ist), nicht aber eine Abänderung der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit rechtfertigen kann. Eine Versetzung in die Türkei kraft Direktionsrechtes kam daher nicht in Betracht, da der Kläger diese Tätigkeit zuvor nicht ausgeübt hatte. Ein Arbeitgeber ist auch nicht dazu verpflichtet, zunächst einen Rechtsstreit führen zu müssen um in diesem die Wirksamkeit einer von ihm angeordneten Maßnahme (hier die Versetzung) überprüfen zu lassen. Der Kläger hatte auch bereits im Vorfeld angekündigt, dass er mit einer Versetzung nach Istanbul nicht einverstanden sei.
Bei allen Fragen rund um die betriebsbedingte Kündigung im Arbeitsrecht stehe ich gerne zur Verfügung.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24. September 2015 – 2 AZR 3/14
Outsourcing – ein Modewort, mit dem man im Arbeitsrecht sofort zwei weitere Worte verbindet: betriebsbedingte Kündigung. Eine neuere Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts betrifft diesen häufigen Fall der, so heißt es dann auf Deutsch, Ausgliederung von Betriebsteilen. In dem entschiedenen Fall ging es darum, dass der Hausmeister eines Betriebes, der mehrere Pflegeheime, Kindergärten, Kinder- und Jugendheime, ein Wohnheim und eine Schule betrieb, betriebsbedingt gekündigt wurde, weil sein Arbeitgeber die Hausmeisterdienste an ein externes Unternehmen vergeben wollte. Im Zeitpunkt der Kündigung hatte der beklagte Arbeitgeber noch gar keine endgültige Entscheidung über die Fremdvergabe der Hausmeisterleistungen getroffen. Die eigentliche Beauftragung des externen Dienstleisters erfolgte nämlich erst ca. zwei Monate nach Ausspruch der betriebsbedingten Kündigung, aber immer noch vor Ablauf der Kündigungsfrist. Mit seiner Kündigungsschutzklage gegen die ihm gegenüber ausgesprochene betriebsbedingte Kündigung wegen des Wegfalls seines Arbeitsplatzes gewann der Kläger zunächst in den ersten beiden Instanzen, da eine solche bloße Absicht zur Fremdvergabe nach deren Ansicht zur Begründung einer Kündigung nicht ausreichend sei. Der Kläger verlor jedoch seine Kündigungsschutzklage in letzter Instanz vor dem BAG. Wie konnte es dazu kommen?
Der Ansicht der Vorinstanzen trat das BAG mit der Begründung entgegen, dass es zur Begründung einer Kündigung ausreichend sei, wenn die die Kündigung rechtfertigenden dringenden betrieblichen Erfordernisse spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedarfs führen. Eine solche Prognose muss aber bei Zugang der Kündigung objektiv berechtigt sein, um Missbrauch zu vermeiden. Wichtig im Zusammenhang mit betriebsbedingten Kündigungen beim Outsourcing: die unternehmerische Entscheidung selbst, Arbeitsplätze an eine Fremdfirma zu vergeben, wird nicht dahingehend überprüft, ob sie dringend erforderlich war, das Unternehmen gefährden würde oder kostengünstig war. Bis zur Grenze der offensichtlichen Unsachlichkeit oder Willkür hat der Arbeitgeber in seiner unternehmerischen Entscheidung zur Umorganisation einen weiten, nicht durch die Gerichte überprüfbaren Ermessensspielraum frei. Es kommt auch nicht darauf an, ob durch die Beauftragung des Drittunternehmens tatsächlich Kosten eingespart werden. Das BAG bringt es auf folgende Formel:
es ist nicht Sache der Gerichte, dem Arbeitgeber eine „bessere“ oder „richtigere“ betriebliche Organisation vorzuschreiben.
Das mag man richtig finden oder nicht, man muss sich vor allem im Klaren darüber sein, dass man sich gegen eine betriebsbedingte Kündigung wegen Outsourcings nicht mit der Begründung wehren kann, dass das Ziel der Kostenersparnis nicht erreicht werden könnte oder die Maßnahme aus einem anderen Grunde sinnlos sei. Ebenso spielt es arbeitsrechtlich keine Rolle, ob der Geschäftsführer einer GmbH intern dazu befugt ist, eine solche Entscheidung zu treffen. Selbst wenn bekannt ist, dass solche Entscheidungen nur die Gesellschafter treffen dürfen, so ändert dies nichts daran, dass der Geschäftsführer kraft seiner Stellung nach außen über die Rechtsmacht verfügt, solche Entscheidungen zu treffen. Auch wenn der beklagte Arbeitgeber wie in diesem Fall noch an anderen Standorten weiterhin eigene Hausmeister einsetze, ohne diese an einen Dienstleister fremd zu vergeben, steht dies nach Ansicht des BAG der Kündigung auch nicht entgegen, denn es steht im Ermessen des Arbeitgebers, verschiedene Betriebsstätten unterschiedlich zu organisieren und zu behandeln. Enthält der Arbeitsvertrag keine Beschränkung des Tätigkeitsortes auf eine bestimmte Betriebsstätte, so kommt eine Versetzung an andere Arbeitsorte als milderes Mittel zur Kündigung in Betracht. An dieser Stelle zeigt sich wieder, wie wichtig die Tätigkeitsbeschreibung im Arbeitsvertrag ist.
Bei allen Fragen rund um die betriebsbedingte Kündigung im Arbeitsrecht stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. November 2014 – 2AZR 512/13
Ein Arbeitgeber kann einen Arbeitsvertrag ohne jeglichen Grund (sog. sachgrundlose Befristung) bis dreimal zu einer Dauer von zwei Jahren befristen. Der Vorteil liegt auf der Hand: beim Auslaufen der Befristung greift der Kündigungsschutz nicht ein und das Arbeitsverhältnis endet ohne Kündigung. Um dieses sehr wichtige Ergebnis zu erzielen, werden immer wieder aufwändige Gestaltungen mehr oder weniger erfolgreich ausprobiert. Wie aber kann sich ein Arbeitnehmer dagegen zur Wehr setzen, wenn er eine Umgehung des Kündigungsschutzes mittels Befristungen vermutet – und vor allem: was muss er dafür beweisen?
Das Bundesarbeitsgericht hatte in einer Entscheidung vom 25. Juni 2015 einen Streit zu entscheiden, in dem der Kläger pikanterweise zunächst bei der Bundesagentur für Arbeit befristet angestellt war und nach Auslaufen der Befristung dann bei der Beklagten, die gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit Trägerin des Jobcenters ist. Auch bei dieser erhielt der Kläger wiederum nur einen befristeten Arbeitsvertrag. Seinen Arbeitsplatz wechselte er beim Arbeitgeberwechsel nicht, der Schreibtisch und die Aufgaben blieben identisch. Nach Auslaufen der Befristung bei der Beklagten, es waren bei beiden Arbeitgebern insgesamt mehr als zwei Jahre vergangen, reichte er Klage beim Arbeitsgericht mit dem Antrag ein, festzustellen, dass die Befristung des Arbeitsverhältnisses unwirksam war und er dementsprechend in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten stand. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab, das Bundesarbeitsgericht hob die Entscheidung auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück.
Aber zunächst zur Antwort auf die erste Frage: einziges Mittel für den Arbeitnehmer, sich auf die Unwirksamkeit der Befristung seines Arbeitsvertrages zu berufen ist eine Klage beim Arbeitsgericht. Diese so genannte Entfristungsklage ist innerhalb von drei Wochen nach Ende des Arbeitsverhältnisses zu erheben – genauso wie die Kündigungsschutzklage im Falle einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Das BAG hat dabei festgestellt, dass die Beschäftigungszeiten beim ehemaligen Arbeitgeber (hier also der Bundesagentur für Arbeit) nicht auf das neue Arbeitsverhältnis (hier bei der Beklagten) angerechnet werden. Es ist dabei unerheblich, ob die beiden Arbeitgeber einen gemeinsamen Betrieb betreiben, wenn dieser keinerlei Personalhoheit hat, d.h. weder Personal einstellen noch kündigen darf. Steuern die beiden Inhaber jeweils nur die Arbeitnehmer bei, so gilt derjenige als Arbeitgeber, der im Arbeitsvertrag als Arbeitgeber bezeichnet wird. Eine Anrechnung der Beschäftigungszeiten bei anderen Arbeitgebern findet nicht statt. Es ist klar, dass in einer solchen Konstellation der Rechtsmissbrauch durch Ausnutzung dieser formalen Stellung unterbunden werden muss. Ein solcher Rechtsmissbrauch liegt im Arbeitsrecht vor, wenn die Vertragsgestaltung ausschließlich zu dem Zweck gewählt wurde, die Unwirksamkeit der Befristung zu umgehen. Dies betrifft also die Intention der beiden Arbeitgeber, eine sog. innere Tatsache.
Das führt uns zur zweiten Frage: wie soll der Arbeitnehmer die Beweggründe der Arbeitgeber und damit den Rechtsmissbrauch nachweisen können? Hierzu hat das BAG in der Entscheidung erstmals Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast in solchen Fällen aufgestellt. Wie so häufig im Arbeitsrecht greift das Gericht dabei auf die so genannte abgestufte Darlegungs-und Beweislast zurück. Dies bedeutet als Ausgangspunkt, dass der Arbeitnehmer den Rechtsmissbrauch zu beweisen hat. Dies wird ihm natürlich in aller Regel nicht gelingen, da er die internen Zusammenhänge und die jeweilige Motivation der beiden Arbeitgeber nicht kennt. Aus diesem Grunde besagt die Regel, dass der Arbeitnehmer zunächst Indizien vortragen muss, aus denen sich der Rechtsmissbrauch ergeben kann. Dies ist im vorliegenden Fall zum Beispiel der nahtlose Übergang von einem Arbeitsverhältnis ins nächste, der gleiche Arbeitsplatz, die gleichen Vorgesetzten. Der Arbeitgeber muss darauf in einem nächsten Schritt Umstände vortragen, die seine Entscheidungen einem anderen Licht erscheinen lassen und dabei zum Beispiel die (nachvollziehbaren!) Gründe für den Arbeitgeberwechsel vortragen. Erst wenn es dem Arbeitgeber gelingt, für seine Entscheidung belastbare Gründe anzuführen, muss der Arbeitnehmer beweisen, dass diese Entscheidung ausschließlich zum Zwecke des Rechtsmissbrauchs erfolgt ist.
Bei allen Fragen rund um die Befristung im Arbeitsrecht stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Bundesarbeitsgericht Urteil vom 24. Juni 2015 – 7 AZR 452/13
Krankheit schützt nicht vor Kündigung – auch wenn dies viele irrtümlicherweise annehmen.
Im Gegenteil: Krankheit kann einen Kündigungsgrund darstellen. Dies können sowohl häufige Kurzerkrankungen als auch eine langfristige Erkrankung sein, wenn eine Prognose die Annahme rechtfertigt, dass der Arbeitnehmer länger als in den nächsten zwei Jahren nicht mehr arbeitsfähig sein wird (dies ist die sogenannte negative Gesundheitsprognose).
Doch wie stellt man eine solche Prognose auf?
Um dies nicht unmöglich zu machen, stellt für die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung eine lang andauernde krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit in der unmittelbaren Vergangenheit ein gewisses Indiz für die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit auch in der Zukunft dar. Ist die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit im Kündigungszeitpunkt völlig ungewiss, so reicht es aus, wenn jedenfalls in den nächsten 24 Monaten nicht mit einer Genesung gerechnet werden kann.
Woher stammt nun diese Zahl und wann kann man von Ungewissheit ausgehen?
Die erste Frage ist einfach zu beantworten: diesen Zeitraum kann man als Arbeitgeber durch Einstellung einer sachgrundlos befristeten Ersatzkraft unproblematisch überbrücken. Die zweite Frage ist sehr schwierig zu beantworten. Man könnte davon ausgehen, dass die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente diese Ungewissheit beseitigt, da ja dann mangelnde Genesung amtlich festgestellt sei. So einfach ist es jedoch nicht, wie das Bundesarbeitsgericht kürzlich entschied.
Das Gericht hatte einen Fall zu entscheiden, in dem der Kläger, ein Omnibusfahrer, seit dem 28. November 2010 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war und zusätzlich seit dem 26. Juni 2012 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 30. Juni 2014 erhielt. Nachdem der Kläger dies seinem Arbeitgeber im Juli 2012 mitgeteilt hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis krankheitsbedingt zum 30. September 2012. Gegen diese Kündigung hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben. Nachdem die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, hob das Bundesarbeitsgericht das Urteil auf. Nach Auffassung des BAG war es nämlich keineswegs erwiesen, dass die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers im Kündigungszeitpunkt ungewiss war (also für mindestens weitere 24 Monate nicht zu erwarten gewesen sei). Aus dem Rentenbescheid wegen Erwerbsminderung auf Zeit ergibt sich nämlich nicht ohne weiteres auch die Arbeitsunfähigkeit. Das BAG weist darauf hin, dass zwischen Arbeitsunfähigkeit und voller Erwerbsminderung ein wesentlicher Unterschied besteht: eine volle Erwerbsminderung liegt dann vor, wenn man nicht mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig sein kann, arbeitsunfähig heißt, dass man überhaupt nicht mehr arbeiten kann. Der Fall ist ein gutes Beispiel dafür, dass Sozialrecht und Arbeitsrecht nicht immer parallel verlaufen und sich falsche Rückschlüsse gravierend auswirken können.
Hinzukommt, dass der Arbeitgeber ein milderes Mittel zur Verfügung gehabt hatte: die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagement (bEM). Will ein Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis krankheitsbedingt kündigen, so sollte er zuvor das bEM durchführen, selbst wenn sich der Arbeitnehmer wie im vorliegenden Fall weigert, Angaben zu seinem Krankheitsbild zu machen. Lediglich die Weigerung, an einem bEM teilzunehmen (was etwas anderes als die fehlenden Angaben zu seinem Krankheitsbild sind), können den Arbeitgeber von der Pflicht zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements entbinden. Zwar ist dieses Verfahren keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung, allerdings trifft den Arbeitgeber eine erhöhte Darlegungslast im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit seiner Kündigung, wenn er es nicht durchführt. Insbesondere das Aufzeigen eines milderen Mittels statt der krankheitsbedingten Kündigung wie z.B. die Umsetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz wird dann nahezu unmöglich werden.
Sprechen Sie mich bei Fragen rund um die krankheitsbedingte Kündigung gerne an. hier kontaktieren >>
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Mai 2015 – 2 AZR 565/14
Auszubildende haben Anspruch auf eine angemessene Vergütung – auch wenn dies für viele Auszubildende nach ihrem Empfinden so nicht stimmen kann.
Aber wie bestimmt man, welche Ausbildungsvergütung angemessen ist?
Über diese Frage hatte nun das Bundesarbeitsgericht zu entscheiden. In dem Fall hatte ein Auszubildender für seine gesamte Lehrzeit eine Ausbildungsvergütung in Höhe von insgesamt 23.222 € brutto erhalten. Dies legte sein Ausbildungsvertrag fest. Da er nicht Mitglied der Gewerkschaft war, fand auf ihn kein Tarifvertrag Anwendung. Nach den in seiner Branche geltenden Tarifverträgen hätte ihm jedoch eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 44.480,02 € brutto zugestanden. Fast ein Jahr nach Abschluss seiner Ausbildung machte er nun den Differenzbetrag in Höhe von 41.678,02 € brutto bei seinem ehemaligen Ausbildungsbetrieb geltend – und gewannen allen drei Instanzen.
Nähern wir uns der Frage, wie man die Angemessenheit der Vergütung beurteilt, in kleinen Schritten. Ausgangspunkt ist die gesetzliche Regelung in § 17 BBiG, nach dem von dem Ausbilder eine angemessene Ausbildungsvergütung zu zahlen ist. Hierbei legt das Gesetz den Maßstab für Berechnung allerdings nicht selber fest, sondern überlässt dies den Vertragsparteien.
Bestimmung der Höhe der Ausbildungsvergütung
Der Auszubildende und der Ausbildungsbetrieb können deshalb die Höhe der Vergütung frei vereinbaren, um Missbrauch zu verhindern, können die Gerichte die Höhe aber nur darauf überprüfen, ob die vereinbarte Vergütung mindestens eine Höhe erreicht, die noch als angemessen bezeichnet werden kann. Anhaltspunkte dafür, was angemessen sein könnte, ergeben sich nach Auffassung des BAG aus den einschlägigen Tarifverträgen. Unterschreitet die Ausbildungsvergütung die nach dem einschlägigen Tarifvertrag zu zahlenden Vergütungen um mehr als 20 %, so ist dies in der Regel nicht mehr als angemessen im Sinne von § 17 I BBiG zu bezeichnen. Da die Ausbildungsvergütung im Fall des BAG fast nur die Hälfte der im Tarifvertrag festgelegten Vergütung betrug, verurteilte das Gericht den Ausbildungsbetrieb zur Zahlung der Differenzvergütung.
Nun gibt es in Tarifverträgen oftmals Ausschlussfristen. Dies bedeutet aber nicht, dass der Auszubildende dann auf seine Zahlungsansprüche verzichten müsste, wenn diese Fristen abgelaufen sind (was ja nach Ende der Ausbildung regelmäßig der Fall sein wird), denn in diesen Fällen führen diese eben nicht dazu, dass die Ansprüche nach Ablauf der Ausschlussfristen verfallen, da der Tarifvertrag ja eben nur einen Anhaltspunkt liefert und als solcher gerade nicht explizit gilt. Eine Ausbildungsvergütung, die nach diesen Grundsätzen nicht mehr angemessen ist, kann also innerhalb der Verjährungsfristen (drei Jahre) noch eingeklagt werden.
Für Fragen rund um die Ausbildungsvergütung stehe ich jederzeit zur Verfügung. hier kontaktieren >>
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. April 2015,9 AZR 108/14
Rechtlicher Rahmen
Die Befristung von Arbeitsverträgen soll die Ausnahme bleiben – so will es zumindest der Gesetzgeber. Deshalb erlaubt er die Befristung nur zwei Möglichkeiten der Befristung: erstens die Befristung ohne jeglichen Grund dafür und zweitens die Befristung aufgrund eines sachlichen Grundes (z.B. als Schwangerschafts- oder Krankheitsvertretung). Der Unterschied zwischen beiden Möglichkeiten liegt in der Zulässigkeit von weiteren Befristungen des Arbeitsverhältnisses: der Gesetzgeber wollte sogenannten Kettenbefristungen ohne jeglichen Grund den Boden entziehen, um auf diese Weise eine Aushebelung des Kündigungsschutzrechts zu verhindern. Aus diesem Grund gestattet das Gesetz im Falle von sachgrundlosen Befristungen lediglich drei Verlängerungen, die insgesamt maximal zwei Jahre betragen dürfen, während eine Befristung mit Sachgrund hingegen grundsätzlich ohne zeitliche und zahlenmäßige Begrenzung zulässig ist. Befristet ein Arbeitgeber unter Verstoß gegen diese Regeln das Arbeitsverhältnis, so kann sich der Arbeitnehmer freuen: das Arbeitsverhältnis gilt dann ab dem Ende der letzten zulässigen Befristung als unbefristet, wenn er dies rechtzeitig mit einer Klage beim Arbeitsgericht geltend macht.
Die Entscheidung
Öffentliche Arbeitgeber haben in letzter Zeit viel Aufmerksamkeit dadurch erregt, dass sie Arbeitsverhältnisse mit Sachgrundbefristungen teilweise über Jahrzehnte hinweg befristen. Am 29 April 2015 entschied das BAG einen Fall, in dem der Kläger von der beklagten Stadt in der Zeit vom 1. November 1998 bis zum 31. August 2013 aufgrund von zehn befristeten Arbeitsverträgen als stellvertretender Leiter der Küche des städtischen Alten-und Pflegeheims beschäftigt war. Hintergrund der Befristungen waren Mutterschutz, Erziehungsurlaub, Elternzeit und Sonderurlaub der Stelleninhaberin, die in dieser Zeit insgesamt drei Kinder gebar. Für die letzte Befristung hatte die Beklagte angegeben, dass die Stelleninhaberin Sonderurlaub zur Betreuung ihrer Kinder erhalten habe. Hiergegen wandte sich der Kläger mit einer sogenannten Befristungskontrollklage (auch Entfristungsklage genannt), da der Sachgrund der Vertretung seiner Meinung nach nicht erfüllt sei und sein Arbeitsverhältnis deshalb mit Ablauf der letzten wirksamen Befristung als unbefristetes weitergalt. Mit dieser Auffassung konnte er sich allerdings in allen drei Instanzen nicht durchsetzen.
Das BAG schildert zunächst die Voraussetzungen des sogenannten Befristungskontrollantrages. Dieser Antrag, mit dem die Unwirksamkeit einer Befristung beim Arbeitsgericht geltend gemacht wird, ist genauso wie eine Kündigungsschutzklage innerhalb einer dreiwöchigen Klagefrist nach Ablauf der vereinbarten Frist (also des Endes des Arbeitsverhältnisses, nicht des Abschlusses des befristeten Vertrages) beim Arbeitsgericht einzureichen. Hierfür muss der Arbeitnehmer allerdings nicht bis zum Ende seines Arbeitsverhältnisses warten, sondern kann den Antrag auch schon vor dem Ende noch im laufenden Arbeitsverhältnis erheben.
Nach § 14 Abs. 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses dann vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt ist. § 21 BEEG ergänzt diese Regelung für die Fälle der Vertretung in der Elternzeit. Für die Beurteilung des sachlichen Grundes ist es nicht maßgeblich, ob dem vertretenen Arbeitnehmer tatsächlich ein Anspruch auf Freistellung zusteht. Entscheidend ist, dass der Arbeitsbedarf nur vorübergehend wegen der Abwesenheit eines Mitarbeiters besteht und dass der Vertretene wieder zur Arbeit zurückkehren wird. Muss der Arbeitgeber aufgrund von ihm vorliegenden Informationen erheblichen Zweifel daran haben, dass die Stammkraft wieder zurückkehren wird, so kann dies den Verdacht begründen, dass der Sachgrund nur vorgeschoben ist. Dieser Umstand ist naturgemäß sehr schwer nachzuweisen. Das BAG stellt fest, dass selbst die hohe Anzahl vorausgegangener Befristungen hieran nichts ändert und auch die Anforderungen an die Prognose nur wegen einer Vielzahl von Befristungen nicht zu verschärfen sind.
Allerdings ist im Rahmen der Befristungskontrolle zu prüfen, ob der Arbeitgeber nicht missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgegriffen hat. Im Rahmen dieser Prüfung muss das Gericht sämtliche Umstände des Einzelfalles würdigen. Diese sind unter anderem die Gesamtdauer der befristeten Verträge, die Anzahl der Vertragsverlängerungen und die Frage, ob der Arbeitnehmer stets denselben Arbeitsplatz innehatte oder auf verschiedenen Stellen eingesetzt wurde. Eine starre Frist oder Anzahl von Verlängerungen, nach denen ein solcher Rechtsmissbrauch anzunehmen ist, gibt es nicht. Zwar kann nach dem Bundesarbeitsgericht bei einer Dauer des Arbeitsverhältnisses von mehr als elf Jahren und einer Anzahl von 13 Befristungen bei gleichbleibender Beschäftigung davon ausgegangen werden kann, dass die Befristung nicht indiziert ist, allerdings kann der Arbeitgeber dies widerlegen. Entscheidend sind jedoch immer die Umstände des Einzelfalles. Das BAG sah die Indizwirkung aufgrund der Dauer von 15 Jahren in diesem Falle als entkräftet an, da der Kläger als Vertretung der stellvertretenden Küchenleiterin eingestellt war und die Beklagte nur dieser eine Küche betrieben hatte, in der sie 5,2 Vollzeitkräfte beschäftigt. Da eine abweichende Beschäftigungsmöglichkeit nicht bestand, war der Beschäftigungsbedarf nur auf die Dauer der Vertretung möglich und mit Rückkehr dieser Stammkraft entfallen.
Für Fragen rund um das Befristungsrecht stehe ich Ihnen gerne jederzeit, telefonisch, persönlich oder per E-Mail zur Verfügung.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. April 2015. 7 AZR 310/13
Rechtlicher Rahmen
Kündigt ein Arbeitgeber, so wird er oftmals den Arbeitnehmer für die Dauer der Kündigungsfrist unwiderruflich von der Arbeitsleistung freistellen. Hintergrund ist, dass auf diese Art und Weise der der Urlaub nicht mehr bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegolten werden muss. Eine solche Freistellung ist aber unmissverständlich und unwiderruflich im Kündigungsschreiben auszusprechen, da ansonsten der Arbeitnehmer nicht weiß, ob er sich tatsächlich auf eine freie Zeit einstellen kann oder damit rechnen muss, wieder an den Arbeitsplatz zurückgerufen zu werden.
Die Entscheidung
In dem dem Urteil vom 10. Februar 2015 des Bundesarbeitsgerichts zu Grunde liegenden Fall kündigte ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos mit sofortiger Wirkung, hilfsweise fristgemäß zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Er fügte ferner hinzu: „im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werden Sie mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung ihrer Arbeitsleistung freigestellt“.
Auf den ersten Blick sieht es also danach aus, als ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wirksam von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt hat und dementsprechend kein Anspruch aus Urlaubsabgeltung bestand. Was jedoch war dann also die Schwierigkeit im vorliegenden Fall, dass hierzu das Bundesarbeitsgericht angerufen werden musste? Ganz einfach: es war bisher umstritten, ob der fristlos kündigende Arbeitgeber Urlaub unter der Bedingung erteilen kann, dass die ausgesprochene Kündigung (hier die fristlose Kündigung) unwirksam ist und die hilfsweise erklärte Kündigung greift. Diese Streitfrage hat das Bundesarbeitsgericht jetzt entschieden – und verneint. Das Gericht stand zuvor auf dem Standpunkt, dass ein Arbeitgeber in der vorliegenden Konstellation sehr wohl Urlaub vorsorglich zur Vermeidung von Urlaubsabgeltungsansprüchen abgelten könnte. Diese Rechtsprechung wird mit dem vorliegenden Urteil geändert und das BAG begründet seine Kehrtwende damit, dass der Arbeitnehmer bei Übergabe der Kündigung wissen muss, ob er Anspruch auf bezahlte Freistellung hat oder nicht. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer sicher seien kann, dass er tatsächlich auch bezahlt wird, denn während des Urlaubs erhält man ja seine Bezüge weiter. „Aus dem Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub folgt jedoch, dass dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Urlaubs ein Anspruch auf Vergütung sicher sein muss. Dazu genügt es nicht, wenn ihm zu irgendeinem späteren Zeitpunkt nach der rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage ein Anspruch auf Urlaubsvergütung zuerkannt wird. Der Arbeitnehmer ist in unzumutbarer Weise in seiner Urlaubsgestaltung eingeschränkt, wenn er bei Urlaubsantritt nicht weiß, ob ihm Urlaubsentgelt gezahlt wird.“
Daraus folgt folgendes: der Arbeitgeber kann in einer fristlosen Kündigung mit einer Freistellungserklärung nur dann wirksam Urlaub gewähren, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung entweder vor Antritt des Urlaubszeit oder vorbehaltlos zusagt.
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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. Februar 2015,9 AZR 455/13
Rechtlicher Rahmen
Hegen Arbeitgeber den Verdacht, dass ihre krankgeschriebenen Arbeitnehmer ihre Krankheit in Wahrheit nur vortäuschen, so stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, um sich Gewissheit über die tatsächliche Arbeitsunfähigkeit zu verschaffen. Eine davon ist der Einsatz von Detektiven. Ein solcher Einsatz ist jedoch nicht unbedenklich und seine Zulässigkeit unterliegt engen Grenzen – diese beginnen bereits bei der Frage nach der Zulässigkeit der Überwachung als solcher und setzen sich bei der Art und Weise der Ausführung, des Umfanges usw. fort. Hintergrund dieser Grenzen ist, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arztes (gelber Schein) zwar nicht den vollen Beweis der Arbeitsunfähigkeit erbringt, ihr aber ein hoher Beweiswert zukommt. Ohne konkrete Anhaltspunkte kann eine solche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht in Zweifel gezogen werden, was sich somit auf die Zulässigkeit der Überwachung der Arbeitnehmer auswirkt. Werden diese Regeln nicht eingehalten, so kann dies nicht nur dazu führen, dass die erhobenen Daten bzw. Erkenntnisse im Einzelfall im Kündigungsrechtsstreit unverwertbar sind, sondern auch dazu, dass den betroffenen Arbeitnehmern unter Umständen ein Schmerzensgeldanspruch zusteht.
Die Entscheidung
Mit Urteil vom 19. Februar 2015 entschied das Bundesarbeitsgericht erstmals, dass einem Arbeitnehmer grundsätzlich ein Schmerzensgeldanspruch zustehen kann, wenn dieser im Auftrag seines Arbeitgebers in seinem Privatbereich von einem Detektiv überwacht wird und von dieser Überwachung sogar Videoaufzeichnungen gemacht werden. In dem entschiedenen Fall war die Klägerin als Sekretärin der Geschäftsleitung angestellt. Als sie für längere Zeit arbeitsunfähig wurde, traute der Arbeitgeber diesen Bescheinigungen nicht und beauftragte kurzerhand einen Privatdetektiv, um die tatsächliche Arbeitsunfähigkeit zu überprüfen. In diesem Zusammenhang filmt der Privatdetektiv die Klägerin und ihren Ehemann vor ihrem Haus und Garten. Aufgrund der Erkenntnisse kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte Erfolg. Mit der hier besprochenen Entscheidung macht die Klägerin einen Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts geltend und verlangte ein dreifaches Bruttomonatsgehalt, in diesem Falle 10.500 €. Das Bundesarbeitsgericht sprach ihr letztlich jedoch lediglich 1.000,- € zu.
Wichtig an der Entscheidung ist weniger die Höhe als vielmehr der Umstand, dass das BAG hier erstmals festgestellt hat, dass Arbeitnehmern im Falle der rechtswidrigen Überwachung überhaupt ein Schmerzensgeldanspruch zustehen kann.
Ausgangspunkt der Entscheidung ist, dass es zum Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen gehört, darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht werden oder nicht. Die Frage, ob ein rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vorliegt, ist an § 32 Bundesdatenschutzgesetz zumessen. Danach dürfen personenbezogene Daten (wozu auch das aufgezeichnete Bild einer Person fällt) eines Beschäftigten zur Aufdeckung von Straftaten – in Betracht kommt die Verschaffung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils durch Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit – nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten nicht überwiegt. Das BAG verneint in dieser Entscheidung das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an der Erhebung solcher personenbezogenen Daten. Es begründet dies in erster Linie mit dem hohen Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, der es erfordert, dass zumindest begründete Zweifel an der Richtigkeit vorliegen, wenn eine solche Überwachung zulässig sein soll. Solche begründeten Zweifel können zum Beispiel dann vorliegen, wenn die Arbeitsunfähigkeit angekündigt wird oder mehrerer Bescheinigungen von unterschiedlichen Ärzten stammen. Das Gericht hält nämlich auch fest, dass die Überwachung von Arbeitnehmern nicht per se rechtswidrig ist. Das Gericht hat anspruchsmindernd berücksichtigt, dass die Videoaufnahmen zwar im privaten Lebensbereich der Klägerin stattfanden, jedoch nicht die Intim-oder Privatsphäre betrafen und das sich die Geschehnisse in der Öffentlichkeit abspielten. Ebenfalls anspruchsmindernd hat es berücksichtigt, dass die Aufzeichnungen vertraulich aufbewahrt wurden und nicht an Dritte weitergegeben wurden.
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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Februar 2015, 8 AZR 1007/13,
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&nr=18132
Rechtlicher Rahmen
Ein Arbeitnehmer hat gemäß § 8 TzBfG Anspruch darauf, seine Arbeitszeit zu verringern, wenn das Arbeitsverhältnis mindestens sechs Monate bestanden hat und der Arbeitgeber regelmäßig mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigt. Soweit, so klar. Wie aber kommt eine solche Reduzierung nun genau zu Stande? Der Wunsch des Arbeitnehmers bzw. dessen Erklärung bedarf zunächst keiner bestimmten Form – er kann also auch per E-Mail oder auf andere Weise geäußert werden. Wichtig ist, dass er inhaltlich so genau bestimmt ist, dass der Arbeitgeber mit einem bloßen „Ja“ antworten können muss und beide sicher wissen, wie sich die Änderung auswirkt. Dies beinhaltet vor allem die Zahl der zu reduzierenden Stunden, die neuen Arbeitszeiten und deren Lage etc.
Die Ablehnung des Teilzeitwunsches durch den Arbeitgeber hingegen bedarf jedoch der Schriftform – dieser genügt die E-Mail nicht. Inhaltlich muss die Ablehnung so genau bestimmt sein, dass der Arbeitnehmer Gewissheit darüber erlangt, ob der Arbeitgeber seinem Wunsch nachkommen wird oder nicht. Hierzu hat der Arbeitgeber einen Monat nach Zugang des Teilzeitwunsches Zeit. Widerspricht der Arbeitgeber diesem Änderungswunsch innerhalb der Frist nicht, so verringert sich die Arbeitszeit im vom Arbeitnehmer gewünschten Umfang und wird damit Vertragsbestandteil.
Inhalt der Entscheidung
So einfach die Anforderung an die Ablehnung des Teilzeitwunsches auf den ersten Blick erscheinen mag (ein schlichtes nein würde genügen), so kompliziert kann dies in der Praxis werden. Vermerkt ein Arbeitgeber lediglich auf einer Arbeitszeitbescheinigung zur Vorlage bei einer Kita eine andere Arbeitszeit als die vom Arbeitnehmer in einer vorangegangenen Email gewünschte, so hat dies nicht die Wirkung der Ablehnung, wie das Bundesarbeitsgericht am 20. Januar 2015 entschied. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hatte ein Arbeitgeber in einem Formular zur Beantragung eines Kindergartenplatzes eine Vollzeittätigkeit bescheinigt, obwohl die Arbeitnehmerin ein halbes Jahr zuvor während ihrer Elternzeit Teilzeittätigkeit per E-Mail beantragt hatte. Auf diese Mail reagierte der Arbeitgeber nicht. Nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit verließ die Arbeitnehmerin um 14:00 Uhr statt um 17:00 Uhr wie in Vollzeit in diesen Betrieb üblich ihren Arbeitsplatz. Daraufhin erhielt sie eine Abmahnung sowie eine Änderungskündigung, mit der der Arbeitgeber sie erneut auf eine Vollzeitstelle setzt. Die Arbeitnehmerin klagte deshalb sowohl auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte, gegen die Änderungskündigung und schließlich auf Feststellung, dass sie in einem Teilzeitarbeitsverhältnis steht. Mit allen drei Anträgen gewann sie in allen drei Instanzen. Durch die Email und die anschließende Nichtreaktion des Arbeitgebers innerhalb der Frist hatte sich die Arbeitszeit entsprechend des Wunsches der Arbeitnehmerin reduziert. Der Arbeitgeber hatte somit auch keine Möglichkeit, nach Ablauf der Widerspruchsfrist durch eine Änderungskündigung den alten Zustand der Vollzeitbeschäftigung wiederherzustellen. Hintergrund ist, dass der Arbeitgeber dem Teilzeitwunsch nur dann widersprechen können, wenn betriebliche Gründe der gewünschten Teilzeitbeschäftigung entgegenstehen. Dies können, so entschied das Bundesarbeitsgericht nur solche Gründe sein, die nicht bereits zum Zeitpunkt des Teilzeitverlangens dem Arbeitnehmers entgegengehalten wurden bzw. vorlagen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Januar 2015 – 9 AZR 860/13
http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&nr=18068