Gemeinschaftliches Testament: der Teufel steckt im Detail
Häufig haben zwei Ehegatten den Wunsch, sich in einem Testament zunächst gegenseitig als Erben und nach dem Tod beider Ehegatten die Kinder einzusetzen. Dies ist das sog. „Berliner Testament“, das in der Regel als gemeinschaftliches Testament der Eheleute verfasst wird. Jedoch ist sowohl bei der Abfassung des Testaments als auch bei der Auslegung nach dem Tode extreme Vorsicht geboten: gemeinschaftliche Testamente sind nämlich ein gutes Beispiel dafür, dass bei einem eigentlich sehr einfach anmutenden Wunsch oftmals der Teufel im Detail steckt. Ein anschauliches Beispiel für eine solch scheinbare eindeutige Formulierung, die jedoch arge Schwierigkeiten bereitete, illustriert ein Fall, den das Oberlandesgericht Hamm im Februar 2015 entschieden hat.
In einem gemeinschaftlichen Testament hatten sich zwei Ehegatten gegenseitig als Erben eingesetzt als bereits bekannt war, dass der Ehemann schwer erkrankt war. Es wurde weiterhin folgende Anordnung getroffen: bei dem Tode des Erstversterbenden erhält der Überlebende den gesamten Nachlass zur freien Verwaltung und Verfügung unter Lebenden. Auf unsere Kinder soll erst das übergehen, was bei dem Tode des Erstversterbenden übrig sein wird. Das Ehepaar hat zwei Kinder, der Ehemann hatte kein Vermögen, die Ehefrau hatte jedoch erhebliches eigenes Vermögen. Nach dem Tod des Ehemannes errichtete die Ehefrau ein weiteres Testament, in dem sie die gemeinsamen Kinder zu Erben zu je ½ einsetzte und eine Teilungsanordnung hinsichtlich ihrer Grundstücke vornahm. Eines der Kinder war der Meinung, dass die Mutter nicht mehr ein solches Testament errichten konnte, da sie durch das gemeinschaftliche Testament an einer abweichenden Testierung gehindert sei. Mit dieser Argumentation ist das Kind aber bei dem Oberlandesgericht nicht durchgedrungen.
Charakteristikum des gemeinschaftlichen Testamentes ist– und das ist den Ehegatten oftmals nicht bewusst – eine Bindungswirkung, die das Testament herbeiführen kann. Ist eine der Verfügungen einem Testament wechselbezüglich, so kann nach dem Tode des einen Ehegatten der andere Ehegatte nicht mehr davon abweichen. Es stellt sich daher die Frage, ob die hier wörtlich wiedergebende Verfügung wechselbezüglich war. Dies ist immer der Fall, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde. Ob dies der Fall ist, regeln die Ehegatten im besten Falle selbst, indem sie ausdrücklich im Testament klarstellen, welche Verfügungen wechselbezüglich sein sollen und welche nicht. Vergessen sie dies, so ist durch Auslegung zu ermitteln, ob die Verfügung wechselbezüglich ist. Zur Auslegung müssen insbesondere auch die Lebensumstände der beiden Erblasser herangezogen werden. Da hier nichts festgelegt wurde, musste das Gericht die Verfügung auslegen und prüfen, ob das erste Testament die Erblasserin daran hinderte, eine Teilungsanordnung in dem zweiten Testament vorzunehmen. Das Gericht kam dabei zu dem Ergebnis, dass diese Verfügung im ersten Testament nicht wechselbezüglich war. Entscheidend war für das Gericht, dass den Ehegatten bei der Abfassung des Testamentes bekannt war, dass der Ehemann schwer erkrankt und die Ehefrau die Vermögende in dieser Beziehung war. Deshalb könne davon ausgegangen werden, dass die Ehefrau als wahrscheinlich Längerlebende und Vermögende keinen Grund hatte, sich in ihrer Testierfreiheit hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung einzuschränken. Dafür spricht auch der Halbsatz der Verfügung, dass „auf die Kinder das übergehen soll, was beim Tode des Letztversterbenden übrig sein wird“. Diese Formulierung ließ dem überlebenden Ehegatten sämtliche Freiheit über den Nachlass. Aus diesem Grunde war die Ehefrau berechtigt, die entsprechende Teilungsanordnung vorzunehmen.
Dieses Urteil zeigt deutlich, wie sehr es bei der Auslegung auf die tatsächlichen Umstände ankommt. So sind immer auch die Vermögensverhältnisse der Ehegatten wie auch die Lebenssituation (hier die schwere Krankheit des Ehemannes) bei der Testamentsabfassung zu berücksichtigen.
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OLG Hamm, Urteil vom 26. Februar 2015, 10 U 18/13
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