Krankheitsbedingte Kündigung
Krankheit schützt nicht vor Kündigung – auch wenn dies viele irrtümlicherweise annehmen.
Im Gegenteil: Krankheit kann einen Kündigungsgrund darstellen. Dies können sowohl häufige Kurzerkrankungen als auch eine langfristige Erkrankung sein, wenn eine Prognose die Annahme rechtfertigt, dass der Arbeitnehmer länger als in den nächsten zwei Jahren nicht mehr arbeitsfähig sein wird (dies ist die sogenannte negative Gesundheitsprognose).
Doch wie stellt man eine solche Prognose auf?
Um dies nicht unmöglich zu machen, stellt für die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung eine lang andauernde krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit in der unmittelbaren Vergangenheit ein gewisses Indiz für die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit auch in der Zukunft dar. Ist die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit im Kündigungszeitpunkt völlig ungewiss, so reicht es aus, wenn jedenfalls in den nächsten 24 Monaten nicht mit einer Genesung gerechnet werden kann.
Woher stammt nun diese Zahl und wann kann man von Ungewissheit ausgehen?
Die erste Frage ist einfach zu beantworten: diesen Zeitraum kann man als Arbeitgeber durch Einstellung einer sachgrundlos befristeten Ersatzkraft unproblematisch überbrücken. Die zweite Frage ist sehr schwierig zu beantworten. Man könnte davon ausgehen, dass die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente diese Ungewissheit beseitigt, da ja dann mangelnde Genesung amtlich festgestellt sei. So einfach ist es jedoch nicht, wie das Bundesarbeitsgericht kürzlich entschied.
Das Gericht hatte einen Fall zu entscheiden, in dem der Kläger, ein Omnibusfahrer, seit dem 28. November 2010 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war und zusätzlich seit dem 26. Juni 2012 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 30. Juni 2014 erhielt. Nachdem der Kläger dies seinem Arbeitgeber im Juli 2012 mitgeteilt hatte, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis krankheitsbedingt zum 30. September 2012. Gegen diese Kündigung hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben. Nachdem die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, hob das Bundesarbeitsgericht das Urteil auf. Nach Auffassung des BAG war es nämlich keineswegs erwiesen, dass die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers im Kündigungszeitpunkt ungewiss war (also für mindestens weitere 24 Monate nicht zu erwarten gewesen sei). Aus dem Rentenbescheid wegen Erwerbsminderung auf Zeit ergibt sich nämlich nicht ohne weiteres auch die Arbeitsunfähigkeit. Das BAG weist darauf hin, dass zwischen Arbeitsunfähigkeit und voller Erwerbsminderung ein wesentlicher Unterschied besteht: eine volle Erwerbsminderung liegt dann vor, wenn man nicht mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig sein kann, arbeitsunfähig heißt, dass man überhaupt nicht mehr arbeiten kann. Der Fall ist ein gutes Beispiel dafür, dass Sozialrecht und Arbeitsrecht nicht immer parallel verlaufen und sich falsche Rückschlüsse gravierend auswirken können.
Hinzukommt, dass der Arbeitgeber ein milderes Mittel zur Verfügung gehabt hatte: die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagement (bEM). Will ein Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis krankheitsbedingt kündigen, so sollte er zuvor das bEM durchführen, selbst wenn sich der Arbeitnehmer wie im vorliegenden Fall weigert, Angaben zu seinem Krankheitsbild zu machen. Lediglich die Weigerung, an einem bEM teilzunehmen (was etwas anderes als die fehlenden Angaben zu seinem Krankheitsbild sind), können den Arbeitgeber von der Pflicht zur Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements entbinden. Zwar ist dieses Verfahren keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung, allerdings trifft den Arbeitgeber eine erhöhte Darlegungslast im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit seiner Kündigung, wenn er es nicht durchführt. Insbesondere das Aufzeigen eines milderen Mittels statt der krankheitsbedingten Kündigung wie z.B. die Umsetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz wird dann nahezu unmöglich werden.
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Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Mai 2015 – 2 AZR 565/14
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